Veranstaltung: | Positionspapier "Schule demokratisch gestalten" |
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Antragsteller*in: | Anais Schuster-Brandis (LAG Bildung) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 14.11.2020, 14:59 |
A1: Schule demokratisch gestalten. Positionspapier der Landesarbeitsgemeinschaft Bildung der Bayerischen Grünen
Antragstext
Inhalt:
1. Idee und Vorgehen
2. Unser Ziel
3. Gelebte Demokratie für Schüler*innen
4. Lehrkräfte stärken – demokratische Schulkultur entwickeln
5. Schulleitungen fördern – demokratische Führungskompetenz entwickeln
6. Demokratische Kooperation mit den Eltern
7. Schulorganisation: Schulen entwickeln und Qualität sichern
1. Idee und Vorgehen
Im November 2018 einigte sich die LAG Bildung Bayern, im Jahr 2019 ein Fokus-
Thema zu bearbeiten unter dem Motto „Demokratie an die Schulen“.
Unter dem Eindruck des Erstarkens rechtsradikaler, menschen- und
demokratiefeindlicher Strömungen erschien und erscheint es notwendig, das Thema
„Demokratiebildung“ und „Demokratiepädagogik“ besonders ausführlich und in
mehreren Sitzungen zu bearbeiten. Die Fragestellung sollte sein: Was braucht es
für demokratische Kompetenz? Was brauchen unsere Bildungseinrichtungen, unsere
Schulen, um Demokratie nicht nur zu lehren, sondern auch zu leben?
Im Jahr 2019 waren Vertreter*innen der Schüler*innen, der Lehrer*innen (BLLV),
der Lehrkräfte-Ausbildung sowie Prozessbegleiter*innen bei den Sitzungen zu
Gast.
Im Vordergrund der Diskussion standen die individuellen Voraussetzungen und
Fähigkeiten, die die Mitglieder der Schulfamilie brauchen, um demokratisch und
mündig zu handeln. Es ging daher nicht primär um die Ausgestaltung der
Lehrinhalte des Unterrichtsfachs „Sozialkunde“, sondern um die Entwicklung der
Schule als Ganzes hin zu mehr Demokratie und Mitbestimmung für alle Beteiligten
der Schulfamilie. Die Fächer Politik/Sozialkunde liefern wichtiges Wissen über
Hintergründe, Zusammenhänge und Funktion unserer Demokratie. Die Schule selbst
ist aber ein Lebensraum, in dem demokratisches Handeln vorbildhaft, exemplarisch
und partizipativ gelebt und geübt werden muss.
Wir wollen einen Impuls dazu geben, wie die Bildungsorte von der Kita bis zum
Schulabschluss mehr zum Zusammenhalt und zur lebendigen Demokratie beitragen
können und mit ihrer Bildungsarbeit Radikalisierung und Rechtsextremismus
vorbeugen können.
Zeitlicher Ablauf:
2019 Diskussionen in der LAG mit den beteiligten Gruppen (Schüler*innen,
Lehrkräften, Schulbegleiter*innen etc.) über Schule der Zukunft und
Demokratiebildung
2020 bis August: Auswertung und Entwurf eines Papiers
September: Vorstellung des Entwurfs und Diskussion in der LAG
November: Verabschiedung des Positionspapiers
2. Unser Ziel
Die meisten Konzepte der Demokratiebildung, Demokratieerziehung und -pädagogik
gehen von einem umfassenden Kompetenzbegriff aus, der personale, soziale und
politische Kompetenzen umfasst.
Richtschnur können die Schlüsselkompetenzen der UNESCO sein: „lernen, zu
wissen“, „lernen, zu handeln“, „lernen, zusammen zu leben“ und „lernen, zu
sein“. Beispielhaft sind hier auch die Definition der OECD (2002) und z. B: die
Empfehlungen der Bildungskommission der Heinrich-Böll-Stiftung zu nennen: „Für
eine erfolgreiche individuelle Lebensgestaltung und eine funktionierende
Gesellschaft“ sind unabdingbar:
- die Kompetenz, erfolgreich selbstständig handeln zu können
- die Kompetenz, in sozial heterogenen Gruppen erfolgreich handeln zu können
- Gestaltungskompetenz mit Bezug auf das individuelle und das
gesellschaftliche Leben
Für das Ziel der gelebten Demokratie und die Befähigung zum selbstwirksamen
Agieren sehen wir diese breite Kompetenzdefinition als Voraussetzung an. Eine
Schule als demokratische Schule und Zentrum politischer Bildung ist inklusiv und
für alle jungen Bürger*innen.
Wir wollen, dass alle jungen Menschen zu mündigen, aktiven, selbstbewussten
Bürger*innen in unserer offenen Gesellschaft werden können, die mit Resilienz
gegenüber antidemokratischen, autoritären und extremistischen, derzeit
insbesondere rechtsextremistischen Strömungen und Weltbildern ausgestattet sind.
Sie sollen die Möglichkeiten haben, sich frei zu entfalten, am
gesellschaftlichen Miteinander teilzuhaben, Verantwortung zu übernehmen und sich
gestaltend einzubringen.
Eine lebendige, gelingende demokratische und rechtstaatliche Gesellschaft
basiert auf einem breiten Konsens und einem Bekenntnis zu den Grundwerten der
Demokratie und zu den Menschenrechten. Demokratie braucht aktive Bürger*innen,
die partizipieren und Verantwortung übernehmen. Dafür braucht es demokratische
Kompetenz, die sowohl soziale Zusammengehörigkeit, Wertschätzung und Solidarität
mit den anderen erfordert, als auch kreative Gestaltungskraft und die Fähigkeit,
Lösungen und Kompromisse zu finden. Demokratisches Handeln und Wirken kommt
nicht von selbst, sondern muss erlernt werden. Gelingende demokratische Bildung
stärkt die Schutzfaktoren gegen Radikalisierung und Extremismus: dazu gehören
Zugehörigkeitsgefühl zur Gemeinschaft und Erfahrung der Selbstwirksamkeit,
Empathie, Fähigkeit zur Perspektivenübernahme oder Selbstkontrolle. Alle an der
Schule Beteiligten benötigen eine ausgeprägte Sensibilität für die Belange und
Bedürfnisse von Minderheiten. Die Schule der Zukunft ist geschlechtergerecht und
verabschiedet sich von den veralteten binären Rollenmodellen.
Wir wollen, dass sich junge Menschen der Funktion und dem Vorhandensein von
Vorurteilen bewusstwerden. Die Reflexion eigener Vorurteile befähigt sie dazu,
ihren Mitmenschen vorurteilsfrei und wertschätzend zu begegnen, unabhängig von
Herkunft, Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Alter oder Status. Sie
sollen aktiv als Teil der Gemeinschaft ihre Gestaltungsspielräume nutzen und die
Initiative ergreifen können.
- Politisches Fachwissen: Die Schüler*innen erfassen im Rahmen des
Schulunterrichts die Grundlagen der Werte unserer offenen Gesellschaft,
unseres staatlichen Systems und der demokratischen Strukturen.
- Politische Handlungsfähigkeit: Die Schüler*innen erlernen in der Schule
über das Fachwissen hinaus aktiv gesellschaftliche Verantwortung und
demokratische Gestaltung. Für aktive Teilhabe an politischen und
gesellschaftlichen Prozessen sind wertschätzendes, angstfreies Miteinander
und eine friedliche Grundhaltung die Voraussetzungen, genauso wie
Fähigkeit zur Empathie, zur Perspektivenübernahme, zur Konfliktlösung und
Erfahrungen der Selbstwirksamkeit. Hierfür muss Schule einerseits die
Möglichkeit partizipativer Gestaltung innerhalb der Schule für
Schüler*innen und die ganze Schulfamilie etablieren. Andererseits öffnet
sie sich idealerweise nach außen und verbindet die den Unterricht mit
zivilgesellschaftlicher Praxis („Civic Learning“, „Service Learning“,
„Lernen durch Engagement“)
- Politische Urteilsfähigkeit: Hierzu gehört die Fähigkeit, politische und
gesellschaftliche Prozesse zu analysieren, sich auf der Basis
demokratischer Werte ein Urteil zu bilden und die eigenen Interessen zu
vertreten. Voraussetzung hierfür ist die Fähigkeit Informationen und ihre
Quellen kritisch zu bewerten, sowohl analog als auch digital, und sie in
einen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang setzen zu können.
Um diese Ziele zu erreichen, brauchen alle, die am Schulsystem teilhaben, mehr
Verantwortung und Möglichkeiten zur Mitbestimmung, um Demokratie selbstwirksam
zu erleben. Das fängt bei mehr Selbstständigkeit für die Schulen an: wir wollen,
dass alle Beteiligten der Schulgemeinschaft die Möglichkeit haben, sich an einem
Schulprofil zu beteiligen. Darüber hinaus brauchen die Schulleitungen und die
Lehrkräfte zeitliche Ressourcen und professionelle Unterstützung, um die Schule
demokratisch zu entwickeln.
Innerhalb der Schule heißt Demokratiebildung, dass Prozesse und Gremien
etabliert werden müssen, die Schüler*innen, Lehrer*innen, Schulleitungen und
Eltern Handlungsräume eröffnen, um gemeinsam zu gestalten, zu diskutieren und
gemeinsame Lösungen auszuhandeln.
Wir sehen für die Entwicklung hin zu starken Schulen in der demokratischen
Gesellschaft drei Handlungsfelder:
- Die Befähigung aller Mitglieder der Schulfamilie zu demokratischem Handeln
und zur aktiven Teilhabe in der Gesellschaft. Basis hierfür ist die
Persönlichkeitsentwicklung aller Beteiligten: der Lehrkräfte, der
Schulleitungen, der Schüler*innen sowie der Eltern. Selbstbestimmtes
Handeln, Perspektivübernahme und die Fähigkeit, Kompromisse zu schließen
wird erst möglich durch eine gute, sichere Beziehung von
Lehrenden/Erziehenden und Lernenden. Für die Schulleitungen ist
insbesondere demokratische Führungskompetenz erforderlich. Wir wollen,
dass Lehrer*innen bereits in der Ausbildung die Möglichkeit sowie in Fort-
und Weiterbildungen die Möglichkeit erhalten, sich als lehrende
Persönlichkeit mit demokratischem Erziehungsstil zu entwickeln; ebenso
wollen wir Schüler*innen befähigen, im Raum der Schule demokratische
Kompetenz zu erwerben. Wir wollen die Erziehungs- und
Bildungspartnerschaft mit den Eltern stärken und Schulleitungen sowie
Lehrkräfte dazu befähigen, kooperativ mit Familien in unterschiedlichen
Situationen zusammenzuarbeiten.
- Die flächendeckende Einführung bestehender demokratischer Projekte und
Konzepte im bestehenden System: Schon heute können Schulen die
Demokratiebildung verbessern, indem sie Projekte zur demokratischen
Kompetenz fest in das Schulleben aufnehmen, auch mit außerschulischen
Partnern, wie z. B. Juniorwahl, Schule ohne Rassismus, Lernen durch
Engagement, Aushandlung einer „Schulverfassung“, „Demokratie-Projekttage“,
Planspiele, die Einführung von Klassenrat und Schulparlament u. a. Alle
Projekte zur Demokratiebildung müssen nachhaltig angelegt sein und
selbstverständlich in den Regelunterricht einfließen. Hierfür können
bayerische Schulen, die mit dem „Deutschen Schulpreis“ der Robert-Bosch-
Stiftung ausgezeichnet wurden, als Best-Practice-Beispiele dienen.
- Schulen, die Demokratie vermitteln wollen, müssen einen bestimmten Grad an
Selbstverantwortung und Gestaltungsmöglichkeiten besitzen. Schulen sollen
in einem gemeinsamen Prozess ihr Schulprofil, Schwerpunkte und Visionen
entwickeln können. Dafür brauchen sie mehr Entscheidungskompetenzen für
die Gestaltung von Fächern und Unterricht und ein eigenes,
selbstverantwortetes Budget. Aber Verantwortung bringt auch die Pflicht
zur Rechenschaft mit – gleichzeitig führen wir soll ein verlässliches
Qualitätsmanagement und mit Evaluation ein, um den stetigen
Entwicklungsprozess zu begleiten und zu steuern. Die Umsetzung
demokratischer Strukturen und der Demokratiebildung müssen wesentliche
Inhalte der Evaluation werden.
Demokratie muss ein Ziel in der Schulentwicklung werden. Die Schulen brauchen
Ressourcen und einen Rahmen für die Transformation; und sie brauchen Ressourcen,
um den Entwicklungsprozess zu begleiten, z. B. auch gemeinsam mit externen
Experten.
3. Gelebte Demokratie für Schüler*innen
Für die Ausbildung demokratischer Mündigkeit braucht es einen sozialen Raum, der
auf wertschätzendem Miteinander basiert und in dem sich alle angstfrei bewegen.
Wir wollen, dass alle Schulen in Zukunft einen solchen Raum bieten.
Zentral ist dafür eine wertschätzende Grundhaltung aller Mitglieder der
Schulfamilie untereinander, und besonders eine gute Beziehung zwischen
Lehrer*innen und Schüler*innen, die auf demokratischem Wertekonsens und
Erziehungsstil beruht. Schüler*innen sollen sich nicht als passive
Empfänger*innen von Bildung wahrnehmen, sondern als aktiv gestaltend,
mitbestimmend und selbstwirksam. Dies geschieht nicht über die reine Aneignung
von kognitivem Wissen, sondern durch die aktive Beteiligung in Projekten und die
Möglichkeit, den eigenen Schulalltag mitzugestalten.
Wir setzen uns ein für verbesserte Rahmenbedingungen für Schüler*innen-
Engagement und die Einführung partizipativer Projekte und Modelle:
- Etablieren neuer Formen der Partizipation, z. B. eines Klassenrats,
Schüler*innen-Rats, von Schüler*innen-Vollversammlungen, eines
Schüler*innen-Parlaments und/oder Schüler*innen-Vertretung, die mit
Befugnissen für Entscheidungen im Schulalltag ausgestattet werden. Dazu
gehört es auch, die Ressourcen für die Prozesse der Willensbildung zu
gewähren, z. B. Zeit für Aushandlungsprozesse sowie Wahlen und ein eigenes
Budget
- Projektarbeit mit „Civic Learning“ „Lernen durch Engagement“: Für den
Unterricht wird der Wissenserwerb mit konkreten gemeinnützigen Projekten
kombiniert. Die Schulen öffnen sich zur Gesellschaft, Schüler*innen nehmen
aktiv teil und gestalten ihr direktes soziales Umfeld mit (z. B.
Entwicklung eines Sport-Projekts mit Geflüchteten oder die Verbesserung
des lokalen Spielplatzes durch eine AG „Schönere Stadt“)
- Stärkung des Schulforums mit erweiterten Kompetenzen, mehr Transparenz
durch öffentliches Tagen
- Stärkung der Arbeit der SMV durch Schulungen, um sie zu
Willensbildungsprozessen zu befähigen, z.B. Pump Up SMV
- Modell des „Freiday“ (Margret Rasfeld, Schule im Aufbruch): ein Tag pro
Woche soll für Zukunftsthemen zur Verfügung stehen, z. B. Klima,
Demokratie, Nachhaltigkeit. Die Schüler*innen entscheiden selbst, was sie
an diesen Tagen machen. Lehrer*innen und außerschulische Experten
begleiten sie.
- Die regelmäßige Teilnahme an Projekten wie „Juniorwahl“, „Schule ohne
Rassismus“, Planspielen, „politische Pause“ u. ä.
4. Lehrkräfte stärken – demokratische Schulkultur entwickeln
Wir wollen alle Lehrer*innen befähigen, eine Haltung und einen Unterrichtsstil
zu entwickeln, der Schüler*innen gleichzeitig im demokratischen Erziehungsstil
einen Rahmen gibt und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten schenkt.
Die dafür nötigen demokratischen Führungs- und Gestaltungskompetenzen sollen
bereits im Studium erlernt und erprobt werden. Um die eigene pädagogische
Persönlichkeit auszubilden, sollen angehende Lehrkräfte auf mehreren Ebenen
ausgebildet werden:
- Sie sollen persönliches Coaching erhalten, in dem sie ihre Werte,
Haltungen und Erfahrungen reflektieren und weiterentwickeln können. Auch
während des Berufslebens sollen Lehrkräfte regelmäßig die Möglichkeit zu
Coaching und Supervision erhalten, um Burnout und Frustration vorzubeugen
sowie Resilienz aufzubauen.
- Sie sammeln mehr Praxiserfahrung schon während des Studiums, um den
Perspektivwechsel von Lernenden zu Lehrenden zu erproben; die Praktika
werden pädagogisch begleitet und die Studierenden erhalten regelmäßiges
Feedback.
- Politische Bildung und Demokratiepädagogik sollen Teil des Studiums für
Lehrkräfte aller Fächer sein.
Genauso, wie sie ihren Schüler*innen Möglichkeiten zur Mitbestimmung und
Gestaltung eröffnen, wollen wir, dass Lehrer*innen selbst in ihrer Schule
mitbestimmen. Dazu braucht es mehr Möglichkeiten, z. B. in der Lehrerkonferenz,
in der Mitgestaltung eines Schulprofils bis hin zu gegebenenfalls gemeinsamen
Budgetentscheidungen mit der Schulgemeinschaft. Zudem wollen wir Teamarbeit
zwischen den Lehrkräften aktiv fördern, wie z. B. gemeinsame Erarbeitung von
Unterrichtsmaterialien, gemeinsames Wissensmanagement und fächerübergreifende
Kooperation erhalten. Hierzu braucht es neben Strukturen auch die zeitlichen
Ressourcen.
Zentrum einer gelingenden demokratischen Pädagogik ist eine wertschätzende
Beziehung zwischen Lehrkräften und Schüler*innen. Die Lehrkräfte gestalten einen
Unterricht, der den Schüler*innen Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten schenkt.
5. Schulleitungen fördern – demokratische Führungskompetenz entwickeln
Die Kompetenz der Schulleitung ist entscheidend. Besonders die Führungsqualität
der Schulleitung bestimmt das Schulklima und die Schulentwicklung. Gerade für
eine Schulentwicklung hin zu mehr Selbstständigkeit und einer offenen,
wertschätzenden Kommunikation, müssen die Schulleitungen demokratisch führen
können. Sie brauchen profunde Kenntnisse in der Steuerung partizipativer
Prozesse und Gestaltung demokratischer Abläufe.
Für eine Stärkung der Leitungsqualität auf breiter Ebene müssen die Schritte von
der Lehrkraft zur Schulleitung sorgfältig vorbereitet und begleitet werden. In
diesem Zusammenhang ist das Konzept der erweiterten Schulleitung, welches
Lehrkräfte fördert, die eine Aufgabe in der Schulleitung anstreben, auch in den
Grund- und Mittelschulen einzuführen.
Darüberhinaus brauchen wir ein begleitetes Personal-Entwicklungsprogramm für die
Schulleitungen, das Talente gezielt fördert. Dabei sind auch mehr
Teilzeitmöglichkeiten in der Schulleitung und besonders ein Frauenförder-
Programm zu konzipieren, um Frauen zu ermutigen, eine Führungsposition zu
übernehmen. Ebenso sollen Schulleitungen spezifisch und planvoll fortgebildet
werden.
6. Demokratische Kooperation mit den Eltern
Auch die Eltern tragen zum Gelingen des Schullebens bei. Durch den Aufbau einer
kooperativen, unterstützenden Beziehung zwischen Schulleitung, Lehrkräften und
Eltern entsteht Vertrauen. Ein gutes Verhältnis zu den Eltern, Kommunikation auf
Augenhöhe und ein wertschätzender Austausch tragen zur guten Beziehung mit den
Schüler*innen wesentlich bei. Ein gutes Lernklima ermöglicht gelingende
Bildungsprozesse. Wir fordern, dass Konzepte zur Erziehungs- und
Bildungspartnerschaft an allen Schulen umgesetzt werden.
Gleiches wie für Schüler*innen und Lehrer*innen gilt auch für die Eltern und
Eltern-Gremien: Demokratie beginnt im individuellen Gespräch auf Augenhöhe,
reicht über die Beteiligung der Eltern am Klassenelternabend, als
Klassenelternsprecher*innen bis zum Elternbeirat und den Vertreter*innen der
Eltern im Schulforum. Die Elterngremien benötigen Zeit für Aushandlungsprozesse
und zur Willensbildung.
Darüber hinaus braucht es auch in Bayern eine demokratisch gewählte
Elternvertretung auf Landesebene.
Das Einbeziehen der beruflichen Expertise sowie der kulturellen und sprachlichen
Vielfalt der Eltern kann eine Bereicherung des Schullebens und ein Beitrag zur
Schärfung des Schulprofils sein. Von besonderer Bedeutung kann auch die
schulische Öffnung in die direkte Nachbarschaft sein, so dass die Schule unter
Einbeziehung der Eltern Teil des Stadtteils oder der Gemeinde wird (z. B.
Kooperation mit sozialen, kulturellen und sportlichen Einrichtungen, Kirchen,
Synagogen, Moscheen). Dadurch wird der Kontakt mit den Eltern gestärkt.
Schulen sollen der Raum werden, wo sich Eltern und Lehrkräfte gemeinsam
weiterbilden, um ihre jeweiligen demokratischen und pädagogischen Kompetenzen
unter professioneller Anleitung zu stärken.
7. Schulorganisation: Schulen entwickeln und Qualität sichern
Demokratiebildung muss an allen Schulen zum Ziel der Schulentwicklung werden.
Eine Schule, die demokratisch bildet, braucht nicht nur gestalterische Freiheit
der Menschen, sondern muss auch als Organisation Entscheidungsfreiheiten
besitzen, d. h. sich zu einer „selbstständigen“, selbstverantworteten Schule
entwickeln. Eine selbstverantwortete Schule verfügt über ein eigenes Budget. Die
Schulen erhalten mehr Kompetenzen zur Profilbildung und in der Gestaltung des
Schulalltags. Sie etablieren demokratische Prozesse, die sich in der
Organisation der Schule, in Unterrichtsformen und Projekten niederschlagen.
Wir wollen eine selbstverantwortete Schule auf der Basis eines gemeinsam
entwickelten Rahmens. Die Schule soll nicht nur „Lernort“ sein, sondern auch
selbst eine „lernende Organisation“, die sich ständig weiterentwickelt. Dieser
Prozess soll von erfahrenen Expert*innen permanent begleitet werden.
Wir wollen, dass die Schulgemeinschaft von multiprofessionellen Teams lebendig
und partizipativ gestaltet wird. Wir setzen uns dafür ein, dass an allen Schulen
Lehrer*innen, Schulsozialarbeiter*innen, Schulpsycholog*innen und weiteres
Personal mit Prozessbegleiter*innen gemeinsam arbeiten.
Zudem müssen ein Qualitätsmanagement und eine regelmäßige Evaluation
stattfinden, um Fortschritte messen zu können und gegebenenfalls eine bessere
Unterstützung bieten zu können.
Vorschläge für die Transformation der Schulgemeinschaft:
- Stärkung der Mitbestimmung und Mitgestaltung, z. B. durch Klassenrat,
Schulforum u. a.
- Entwicklung eines Schulprofils mit allen Beteiligten der Schulfamilie, z.
B. mit Workshops
- Entwicklung und regelmäßige Aktualisierung einer „Schulverfassung“ in
einem demokratischen Aushandlungsprozess
- Verbesserung der Rahmenbedingungen für eine Schule als lernende
Organisation in einem eigenverantwortlichen Schulentwicklungsprozess, z.
B. mit Impulsen für einen Infotag, Visions-Workshop; mit dem bewussten
Aufzeigen eines „Fahrplans“ zum Veränderungsprozess
- Finanzierung von externem Coaching zur Begleitung des
Transformationsprozesses; Bereitstellung von Ressourcen für weitere Schul-
und Personalentwicklung
- Verlässliche Evaluation und Qualitätsmanagement auf Schulebene auf Basis
einer Feedbackkultur als Teil eines stetigen Verbesserungsprozesses zu
schnellerem zielgerichteten Handeln
- Vernetzung aller lokalen Bildungsinstitutionen zu regionalen
Bildungslandschaften
- Umsetzung des „Gesamtkonzepts für die Politische Bildung an bayerischen
Schulen“
- Nutzung der digitalen Bildung zur Demokratiebildung
Für die Zukunft brauchen wir starke Schulen, die unsere Kinder darin
unterstützen, selbstständige, selbstbewusste und mündige Menschen zu werden, die
Lust haben, unsere vielfältige, offene Gesellschaft auf der Basis unseres
Grundgesetzes zu gestalten. Dafür müssen sich auch unsere Schulen zu freien,
offenen und sich stetig weiterentwickelnden Lernorten umgestalten.
Weiterlesen
Anders, Yvonne – Hans Dieter Daniel – Bettina Hannover e. a., Gutachten 2020.
Bildung zu demokratischer Kompetenz https://www.vbw-
bayern.de/vbw/Aktionsfelder/Bildung/Bildung-neu-denken/Gutachten-ARB-Bildung-zu-
demokratischer-Komepetenz.jsp
BEV (Hg.), Schule und Bildung für Demokratie in Bayern, http://www.bayerischer-
elternverband.de/index.php?id=269&L=752
BLLV (Hg.), Demokratie lernen von klein an! Demokratiepädagogik in der
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https://www.bllv.de/fileadmin/BLLV/Download/Presse/Pressemitteilungen/PM_2019/OH-
__JA_BLLV_Demokratie_Broschuere_RZ_190514_mit_Umschlag.pdf
BLLV, „Haltung zählt – Schule für die Demokratie“. Positionsbeschreibung des
BLLV zur Demokratiepädagogik (2017)
https://www.bllv.de/themen/demokratiepaedagogik/positionen/papier-online-lesen/
BLLV, Modell flexible Lehrer*innen-Ausbildung (2017) –
https://www.bllv.de/themen/weitere-themen/flexible-lehrerbildung/das-bllv-
modell/
Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung Bündnis 90/Die Grünen, Düsseldorfer Erklärung
2019. Erweiterte Selbstständigkeit und Verantwortungsübernahme in einer
lernenden Schule. Positionspapier zum Konzept der selbstständigen Schule –
beschlossen am 8. November 2019 in Düsseldorf https://gruene-bag-
bildung.de/userspace/BV/bag_bildung/Dokumente/BAG_Beschluesse/Duesseldorfer_Erkl-
aerung_Selbststandige_Schule_BAG_19-_11-08__final.pdf
Georgi, Viola B., Demokratielernen in der Schule. Leitbild und Handlungsfelder,
2006 https://www.stiftung-
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Heinrich-Böll-Stiftung und Bildungskommission der Heinrich-Böll-Stiftung
(Hrsg.), Selbstständig lernen. Bildung stärkt Zivilgesellschaft, 2004.
https://www.boell.de/sites/default/files/assets/boell.de/images/d
ownload_de/bildungkultur/BildungskommissionSelbststaendigLernen.pdf
Kultusministerkonferenz (Hrsg.), Demokratie als Ziel, Gegenstand und Praxis
historisch-politischer Bildung und Erziehung in der Schule. Beschluss der
Kultusministerkonferenz vom 6.3.2009 i. d. F. vom 11.10.2018. Berlin 2018.
https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/PresseUndAktuelles/2018/Beschluss_Demo-
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LAG Bildung Grüne Hamburg (2017), Positionspapier: Gute Schulen brauchen
Freiheit und Profil! Grüne Denkanstösse für den organisatorischen Rahmen der
Schule von morgen. https://beschluss.gruene-hamburg.de/2017/03/23/lag-bildung-
positionspapier-gute-schulen-brauchen-freiheit-und-profil/
Nagy, Franziska – Markus Gloe, Schule. Zukunft. Demokratie. Service-Learning als
Beitrag zu digitaler und demokratischer Bildung. Böll.Brief Teilhabegesellschaft
#12. Februar 2020 https://www.boell.de/de/2020/01/13/schule-zukunft-demokratie
Stiftung „Lernen durch Engagement“: https://www.servicelearning.de
Volkholz, Sabine und Sylvia Löhrmann, Demokratische Schule verantwortlich
gestalten. Zur Bedeutung von Verantwortungsübernahme für demokratische
Schulentwicklung. Böll.Brief Teilhabegesellschaft #14, September 2020
https://www.boell.de/sites/default/files/2020-
09/14_Teilhabegesellschaft_Demokratische-Schule-verantwortlich-
gestalten.pdf?dimension1=division_bw
Gesamtkonzept für die Politische Bildung an bayerischen Schulen
Änderungsanträge
- Ä1 (Martin Weberbeck (KV Erlangen-Land), Eingereicht)
- Ä2 (Anais Schuster Brandis, Eingereicht)
- Ä3 (Cordula Kersten, Eingereicht)
- Ä4 (Anais Schuster Brandis, Eingereicht)
- Ä5 (Bernhard Jehle (LAG Bildung), Eingereicht)
- Ä6 (Bernhard Jehle (LAG Bildung), Eingereicht)
- Ä7 (Bernhard Jehle (LAG Bildung), Eingereicht)
Kommentare
Martin Weberbeck:
Die für den Schulaufwand zuständigen kommunalen Körperschaften (Aufwandsträger) denken nämlich nach meiner Auffassung anders. Sie verteilen ihr Geld nicht pauschal sondern für Einzelmaßnahmen (z. B. Bau eines Radwegs oder Kindergartens) oder kleinere Zuschüsse (Unterstützung der Vereine).
Das Problem ist meines Erachtens in Bayern auch nicht das fehlende Geld. Das Problem ist vielmehr die fehlende Transparenz innerhalb der Schule. Wenn Lehrer*innen, Eltern und Schüler*innen gemeinsam über den Bedarf der Schule entscheiden und dies auch sichtbar machen würden, dann würden die Geldmittel meines Erachtens auch bereitgestellt. Und falls nicht, dann gehört auch dies zum gelebten demokratischen Prozess.
Anais Schuster-Brandis:
Martin Weberbeck:
Die Eltern haben eine doppelte Rolle in Bezug auf die Schule:
1. Der Staat (vertreten durch die Lehrer*innen) greift in den Erziehungsprozess der Eltern ein.
2. Eltern vertreten die Interessen ihrer minderjährigen Kinder, wo diese das nicht selbst können.
Hier ein Textvorschlag:
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Auch die Eltern tragen zum Gelingen des Schullebens bei. Durch den Aufbau einer kooperativen, unterstützenden Beziehung zwischen Schulleitung, Lehrkräften und Eltern entsteht Vertrauen.
Eltern vertreten die Interessen ihrer Kinder, wo diese es noch nicht selbst können. Gleichzeitig soll die Befähigung der Schüler*innen, ihre Interessen in der Schulgemeinschaft selbst zu vertreten, gestärkt werden.
Eltern und Schule teilen sich die Aufgabe der Erziehung und Förderung von Kindern und Jugendlichen. Ein gutes Verhältnis zwischen Lehrer*innen und Eltern, Kommunikation auf Augenhöhe und ein wertschätzender Austausch tragen zur guten Beziehung mit den Schüler*innen wesentlich bei. Ein gutes Lernklima ermöglicht gelingende Bildungsprozesse. Wir fordern, dass Konzepte zur Erziehungs- und Bildungspartnerschaft an allen Schulen umgesetzt werden.
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Cordula Kersten:
Außerdem kann in Zeile 143 das "u.a." gestrichen werden, da der Satz mit "z.B." beginnt.